Was ist das Bedingungslose Grundeinkommen nicht?

Aufgrund des revolutionären Charakters des Bedingungslosen Grundeinkommen werden viele Ideen, Hoffnungen und auch Befürchtungen mit der Idee verbunden. Viele dieser Befürchtungen beruhen allerdings auf Missverständnissen, von denen ich hier einige aufklären will.

Wie diese Fragen letztlich entschieden werden, muss in der gesellschaftlichen Debatte geklärt werden, aber keine der Befürchtungen muss zwangsläufig so eintreten.

Dann geht ja keine*r mehr arbeiten

Arbeit ist mehr als nur Gelderwerb.

Dass ein Bedingungsloses Grundeinkommen die Menschen nicht untätig macht, haben wir schon erläutert. Kurz zusammengefasst:

Arbeit ist mehr als nur Gelderwerb. Arbeit bietet Struktur, Möglichkeiten zur Selbstverwirklichung, soziale Kontakte und vieles mehr. Dies sind grundlegende Bedürfnisse, die Menschen unabhängig von ihrer wirtschaftlichen Situation befriedigen möchten.

Insbesondere wenn unter Arbeit nicht nur Erwerbsarbeit verstanden wird, sondern jegliche Tätigkeit – unabhängig von einer Bezahlung – zeigt sich die Bedeutung der Arbeit anhand von ehrenamtlicher Tätigkeit, zivilgesellschaftlichem Engagement und auch in der Rente weiter freiwillig tätigen Menschen.

Dann holt ja keiner mehr den Müll ab

Wenn uns das wichtig ist schon.

Stellvertretend für unbeliebte Arbeit, die aber gemacht werden muss, wird oft die Müllabfuhr genannt. Die Befürchtung: Wenn es dank BGE keinen Zwang mehr gibt, Geld zu verdienen, macht diese Arbeit niemand mehr.

Die Sorge um eine funktionierende Müllabfuhr zeigt, dass uns diese Tätigkeit offenbar sehr wichtig ist. Daher gibt es drei Lösungen, um sicherzustellen, dass auch weiterhin der Müll abgeholt wird:

  1. Die Arbeit so gut bezahlen, dass sie finanziell reizvoll ist.
  2. Selber machen.
  3. Von Robotern machen lassen.

Macht alles teurer

Das BGE führt im Schnitt nicht zu höheren Preisen.

Warum das BGE nicht zu höheren Preisen führt haben wir bereits ausgeführt. Kurz zusammengefasst:

Inflation (höhere Preise) entsteht, wenn die Geldmenge im Verhältnis zu den verfügbaren Wirtschaftsgütern steigt. Das BGE wird aber durch eine Umverteilung finanziert, es wird kein zusätzliches Geld gedruckt. Daher bleiben sowohl die Geldmenge als auch die Menge der Wirtschaftsgüter gleich, es gibt also keine Inflation.

Es ist aber anzunehmen, dass sich das Preisgefüge ändern wird. Je nach Finanzierungsmodell könnten z.B. Luxusgüter teurer werden, oder weniger Menschen sind gezwungen, zum Arbeiten in die Stadt zu ziehen, wodurch dort die Mieten sinken.

Mehr Geld für alle

BGE ist Umverteilung.

Durch ein BGE haben nicht plötzlich alle Empfänger*innen jeden Monat 1.200€ mehr in der Tasche, denn dies würde bedeuten, dass das Geld neu in Umlauf gebracht werden müsste, was zu Inflation führt (s.o.). Stattdessen muss sich das BGE über Steuern finanzieren, was bedeutet, dass manche mehr und manche weniger haben werden. Aber niemand wird je weniger als das BGE zur Verfügung haben!

Trotzdem kann und soll es auch weiterhin Erwerbsarbeit geben, ein Zuverdienst über das BGE hinaus ist somit natürlich möglich.

Das Ende des Sozialstaats

Auch mit dem BGE müssen nicht alle Sozialleistungen wegfallen.

Das BGE stellt den Menschen genug Geld zur Verfügung, um ein menschenwürdiges Leben führen zu können. Viele finanzielle Leistungen des Sozialstaats werden also wegfallen können, z.B. Arbeitslosengeld und Familienbeihilfe.

Was ist aber mit Menschen mit körperlichen oder geistigen Beeinträchtigungen, die für ein menschenwürdiges, selbstständiges Leben mehr Leistungen benötigen als sie vom BGE bezahlen können? Für diese kann es natürlich auch in einer Welt mit Bedingungslosem Grundeinkommen weiter zusätzliche sozialstaatliche Leistungen über das BGE hinaus geben. Es gibt keine Regel, die dagegen spricht.

Das Ende der aktiven staatlichen Arbeitsvermittlung

Auch mit BGE kann es weiterhin das AMS geben.

Es spricht nichts dagegen, dass der Staat weiterhin als Vermittler zwischen Arbeitnehmern und Unternehmen auftritt. Die staatliche Arbeitsmarktpolitik wird sich aber trotzdem massiv ändern: Es wird keine finanziellen Kürzungen mehr geben, wenn angebotene Stellen nicht angenommen werden, da das BGE ja bedingungslos ist.

Zwang zur Selbstverwirklichung

Das BGE bietet lediglich die Möglichkeit dazu.

Das BGE bietet allen interessierten Menschen die Möglichkeit, entsprechend ihren individuellen Leidenschaften und Talenten tätig zu werden und sich in die Gesellschaft einzubringen, ob auf eigene Faust oder mit Gleichgesinnten gemeinsam. Aber natürlich ist es genauso möglich, weiterhin in klassischen unselbstständigen Arbeitsverhältnissen tätig zu sein und seine Talente in bestehende Unternehmen und Organisationen einzubringen oder auch „einfach nur seinen Job zu machen“.

Auffangprämie für die Verlierer der Digitalisierung

Das BGE bietet ein Sicherheitsnetz zur Neuorientierung.

Auffällig viele Befürworter des BGEs kommen aus der Privatwirtschaft (z.B. Mark Zuckerberg, Götz Werner, Richard Branson) – auf den ersten Blick überraschend, gibt das BGE den Arbeitnehmern doch deutlich mehr Freiheit bei der Wahl ihres Arbeitsplatzes, was die Unternehmen zwingt, diese attraktiv zu gestalten. Geht es den Unternehmern vielleicht nur darum, ihrer unternehmerischen Verantwortung zu entkommen und z.B. zu argumentieren, dass dank BGE ja kein Kündigungsschutz mehr nötig ist? So können durch Automatisierung und Digitalisierung „überflüssig“ gewordene Stellen viel leichter abgebaut werden.

Zweifellos werden durch die Digitalisierung viele Arbeitsplätze wegfallen – ebenso werden viele neue entstehen, die aber erst noch erfunden und erlernt werden müssen. In einer Welt ohne BGE stellt der Verlust des Arbeitsplatz tatsächlich ein großes Problem dar, da mit der Arbeit meistens auch die wirtschaftliche Existenz verbunden ist, und damit wiederum die Möglichkeit der gesellschaftlichen Teilhabe. Daher heißt das politische Ziel derzeit Vollbeschäftigung, unabhängig von der Sinnhaftigkeit der Arbeit.

Auch in einer Welt mit BGE wird der Verlust des Arbeitsplatzes ein tiefgreifender Einschnitt in das Leben sein. Es wird Menschen zwingen, sich Gedanken über ihre individuellen Talente und Leidenschaften zu machen, was nicht immer leicht und spaßig ist. Aber das BGE bietet das Sicherheitsnetz, auf dem diese Überlegungen ohne Existenzängste gemacht werden können, und es schenkt Zeit, um sich bei Bedarf neu zu orientieren.

Lohndumping

Das BGE führt zu einem echten Arbeitsmarkt

Wenn viele Menschen plötzlich zusätzlich das BGE erhalten, können ja die Arbeitgeber einfach den Lohn um den gleichen Betrag reduzieren.  Das BGE würde verpuffen, und die Unternehmen hätten viel geringere Personalkosten.

Das Gegenteil ist der Fall: Das BGE ermöglicht den Arbeitnehmern, nein sagen zu können – zu geringen Löhnen, zu unattraktiven Arbeitsplätzen, zu sinnloser Arbeit. Erfolgreiche Unternehmen werden in Zukunft noch mehr gefordert sein, sinnvolle Tätigkeit zu fairen Konditionen zu bieten. Befreit von materiellen Zwängen können sich Arbeitnehmer und Arbeitgeber auf Augenhöhe begegnen und es entsteht ein echter Arbeitsmarkt ohne einseitige Abhängigkeit.

Führt zu mehr Migration

Niemand verlässt gerne freiwillig seine Heimat.

Die wenigsten Menschen verlassen freiwillig ihre Heimat und alles, was damit verbunden ist – Sprache, Kultur, Familie und Freunde. Was im Wesentlichen zu Migration führt, ist nicht die Aussicht auf eine bessere Zukunft, sondern die Flucht vor einer unerträglichen Gegenwart. Wäre dies anders, würden zumindest sämtliche Europäer dank EU-Arbeitnehmerfreizügigkeit in nur noch einem Land wohnen, nämlich dem mit der besten Lebensqualität. Aufgrund der Einführung des BGEs werden also nicht plötzlich alle Menschen der Welt in dieses Land ziehen wollen.

Inwieweit der Bezug des BGEs an die Staatsbürgerschaft oder Aufenthaltsdauer gekoppelt wird, muss noch in der gesellschaftlichen Debatte geklärt werden.